Einen Toilettenstuhl für Halima


Ich bin Laura, frisch examinierte Physiotherapeutin aus Hamburg. Durch meinen Patenonkel Georg Becker hatte ich die Möglichkeit Tiwi und die Kristina Academy kennenzulernen und dort ein wenig zu helfen.

Mit einem Kopf gefüllt mit medizinischem Fachwissen und beruflicher Anfangseuphorie schien ein Kennenlernen von Halima sehr interessant. Bereits in der ersten Woche organisierte ich also ein Treffen mit Halima, mit Doctor Sangah, dem Physiotherapeuten, der Gesundheitsbeauftragten Mama Mwini und Pamela, der Betreuerin von Halima. Nach anfänglicher Scheu und dem einen oder anderen Kommunikationsproblem kamen wir zügig auf einen gemeinsamen Nenner. Sangah leistet gute Arbeit und mit seinem Hauptgedanken „dem Mädchen das maximale Maß an Selbstständigkeit“ geben zu wollen, die Aktivitäten des alltäglichen Lebens bestmöglich zu adaptieren und individuelle Strategien und Techniken dafür zu entwickeln, sind meiner Meinung nach die absolut richtige Herangehensweise.

Halima, 9 Jahre alt, wurde mit einem offenen Rücken, genannt Spina Bifida geboren. Bei der notwendigen OP wurde der Nerv, der die untere Extremität von Halima versorgt, verletzt. Sie ist somit von der Hüfte abwärts gelähmt.

Wie allerdings bereits im letzten Bericht von Christine Rottland zu Halima beschrieben, macht sie große Fortschritte in ihrer Entwicklung und besonders im Bereich des selbstständigen Gehens hat sie durch die gute Versorgung mit zwei Paar Orthesen und Stützen ein gutes Stück dazu gewonnen.

Ein allerdings für alle Beteiligten trauriger Punkt ist das Thema der Inkontinenz und des selbstständigen Toilettenganges. Durch die Lähmung ist es für Halima schwer möglich ihre Ausscheidung zu kontrollieren, vor allem aber die normale afrikanische Toilette (ein Loch im Boden) zu benutzen. Momentan kommt ihre Mutter, der die ganze Situation mit ihrer Tochter unangenehm ist, täglich in der Mittagszeit um ihr die Windel zu wechseln. Dieser einmalige Wechsel war in der Regel nicht ausreichend, so dass auch die Uniform gewechselt werden musste. Diese Situation wollte ich gerne verändern. Nach einem intensiven Gespräch mit Doctor Sangah stellte sich schnell heraus, dass ein Toilettenstuhl das einzige momentan sinnvolle Mittel sei, um Halima auch in diesem Bereich mehr Freiheit geben zu können, was bisher aber leider noch nicht umgesetzt worden war.

Gesagt – getan: Ich nahm die Maße von Halima und durch Georgs Beziehungen haben wir noch am selben Tag mit Schlosser Meshak einen absoluten Fundi (Experten) aufgetrieben, der unsere Bleistiftzeichnung in die Tat umzusetzen wusste. Nicht mal eine Woche später konnten wir den speziellen Toilettenstuhl abholen und in die Schule bringen.

Die folgende Therapiestunde war großartig. Der absolut begeisterte Sangah, die beiden fleißigen Frauen (Mama Mwini & Pamela), die bereits zwei Tage zuvor selbstständig mit Halima den neuen Stuhl ausprobieren hatten, die nicht mehr ganz so skeptische Halima und eine glückliche Physiotherapeutin aus Hamburg, hatten viel Freude daran Techniken zu entwickeln, wie Halima nun am besten mit Orthesen und Stützen auf den Stuhl kommt.

Übung macht den Meister und das merkte man sofort! Regelmäßige Toilettengänge, wenn auch präventiv, stehen ab jetzt auf Halimas Tagesordnung und erleichtern ihr hoffentlich langfristig gesehen ein Stück weit das Leben.

Laura Leipziger (Oktober 2015)

Aktueller Nachtrag (durch Georg Becker): Aufgrund der von Laura veranlassten neuen Röntgenaufnahmen wurde leider deutlich, dass Halima beide Hüftgelenke ausgekugelt hat. Daher wurde die Krankengymnastik sofort gestoppt und leider werden erneute Operationen durch einen Spezialisten aus Nairobi nötig werden.

Nichtsdestotrotz hat sich der Toilettenstuhl sehr bewährt und erleichtert Halima das tägliche Leben. Die Mutter von Halima hat von sich aus um einen weiteren Stuhl für zu Hause gebeten – ein baugleiches Modell ist schon bei Meshak in Arbeit!